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Gute Frage

Warum ausgerechnet Tunesien?

Warum ausgerechnet Tunesien?

Diese Frage bekomme ich so oft gestellt,

dass ich irgendwann aufgehört habe zu zählen.
Hand auf´s Herz, es hätte wahrscheinlich auch jedes andere Land dieser Welt sein können.

Kleines bis mittelschweres ABER…

Tunesien war nun einmal das Ziel der allerersten Pauschalreise dieses kleinen Ossimädchens, so mit fliegen und allem.

Als ich damals an der Tür des Fliegers auf dem Flughafen Monastir stand und wenig später in einem Mini-Shuttle-Bus zum Hotel gebracht wurde, ist mir etwas passiert, was andere Reisende auch beschrieben haben.

Ich hatte das Gefühl „nach Hause“ gekommen zu sein und das 2000 Kilometer entfernt vom Heimathafen.

Die Erinnerung an meine ersten Eindrücke, direkt beim Aussteigen aus dem Flugzeug, ist sehr klar.
Es war unbeschreiblich warm, die Luft war sehr feucht und roch nach Kerosin und intensiv nach Meer.
Im Bus auf dem Weg zum Hotel waren die Fenster offen und der Fahrtwind blies diesen schäbigen Vorhang immer wieder in mein Gesicht, so dass meine Erinnerung an diese ersten Fahrminuten ziemlich undeutlich ist. Was ich aber noch ganz genau weiß ist, dass ich Salz auf den Lippen schmeckte.
Ich lebe zwar am Meer, aber unseres ist eben nicht so salzig.

Diese erste Woche verging wie im Flug, was habe ich geheult bei der Abfahrt. 🙁

Zwei Jahre später war ich wieder da.. und habe, da ärgere ich mich heute noch, zwei Wochen lang auf einer Liege herumgelegen (das Buch „Eine Billion Dollar“ kann ich übrigens nur empfehlen). Dass die Qualität eines Urlaubes sehr von den Mitreisenden abhängt, habe ich damals verstanden (sorry).

Umso schöner und intensiver wurden alle nachfolgenden Aufenthalte mit oder ohne meine Familie.

Tunesien hat mich immer, besonders vor 2011, an meine Kindheit erinnert. Ja klar…überall Bilder vom Staatspräsidenten, Repressalien und Schlimmeres für die Kritiker und ein sehr aktiver Geheimdienst.

Vielleicht ist das schwer nachzuvollziehen, aber Aspekte spielten in meiner Kindheit und damit in meinen Erinnerungen überhaupt keine Rolle.

Vielmehr war und ist es die Bewunderung für den sehr sparsamen und natürlichen Umgang mit Ressourcen, ein ausgeprägtes Talent zur Improvisation und ein fast melancholisches Heimatgefühl.

Was mich bei all den Reisen immer verwundert hat, war, wie sehr sich die Eindrücke und das Verhalten anderer Reisender von meinem unterschieden haben.

Jeder Mensch ist anders, klar, aber mich bedrückte die mehr oder weniger unterschwellige Verständnislosigkeit und Anspruchshaltung mancher Gäste. Die Einheimischen wurden oft auch sehr herablassend behandelt, wofür ich mich sehr geschämt habe.

Dann kam der Januar 2011 und ich verbrachte jede freie Minute vor den sozialen Medien um nichts zu verpassen, habe richtig mitgefiebert. Leider blieb die tunesische Revolution nicht ganz so friedlich wie jene 1989, aber am Ende stand das gleiche Ergebnis. Der Despot wurde verjagt, alle haben aufgeatmet.

Tunesien hat es bei der Erarbeitung eines demokratischen Systems sehr schwer. Hier gab es kein Begrüßungsgeld und keinen Solidaritätszuschlag.

Von ein bisschen europäischer Entwicklungshilfe abgesehen müssen sie es allein schaffen. Dabei haben sie nicht nur Europa als Vorbild im Blick, sondern sind immer auch ein Dorn im Auge der Nachbarländer und der reichen arabischen Staaten, denen an echter Demokratie nicht gelegen ist. Dieser diplomatische Grat ist sehr schmal.

Es ist eine seit nun 11 Jahren andauernde Zerreißprobe, die mehr und mehr Wut und Frust verursacht. Es gibt keinen wirklichen Wandel, viele Menschen sehnen sich zurück nach den autokratischen aber immerhin stabilen Zeiten.

Dem Vakuum, das die Revolution hinterließ, entsprangen plötzlich auch fundamentale Islamisten. Es gab terroristische Anschläge in Tunesien und die Bilder toter Touristen am Strand in Port el Kantaoui brannten sich ins kollektive Gedächtnis. 

Wieder Entsetzen über die Kaltblütigkeit und das, was dieses kleine Land zu ertragen hat.

Dann nahm Covid-19 die touristischen Geschicke in seine Hand und wieder blieben westliche Touristen fern. Der Virus tötet jedoch nicht nur Arbeitsplätze, sondern zuletzt auch mehr und mehr Menschen in dem ohnehin gebeutelten Land.

Aktuell flackern auch wieder politische Schwelbrände auf. Der Präsident des Landes setzt nach Belieben Politiker ein und wieder ab, verbietet demokratischen Institutionen die Arbeit oder sorgt für Verhaftungen und Repressalien für unliebsame Personen. Ein Verfassungsreferendum ist für den Sommer 2022 geplant.

Tunesien hat unfassbar viele Probleme zu lösen. Trotzdem hat es sich im Herzen nicht verändert, denn das schlägt unabhängig vom politischen System. Ich fiebere und leide nach wie vor mit, denn dieses kleine Fleckchen Erde ist mir sehr fest ans Herz gewachsen.

Deshalb… Tunesien 😉