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Ist Tunesien ein Entwicklungsland?

Wirtschaft & Tourismus

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Wirtschaftslage

Je nachdem, wie man den Begriff interpretiert,  ist Tunesien ein Entwicklungsland.

Etwas mehr als 15% der Bevölkerung* leben unterhalb der länderspezifischen Armutsgrenze.
Gleichwohl ist in Tunesien die Kluft zwischen arm und reich sehr groß. Menschen in verschlissener Kleidung auf einem Eselskarren, die auf der Straße von einem großen neuen BMW überholt werden,  ist ein Bild, das man in Tunesien Straßen häufig sieht. Abbruchreife Hütten nicht weit entfernt von Traumschlösschen in weiß und blau gibt es ebenso, wie wohlsituierte Familienclans am Strand und 200 Meter weiter Frauen, die ihre magere Ziegenherde am Straßenrand grasen lassen.

Staatliche Unterstützung in Form von Sozialhilfe existiert in Tunesien nicht. Nach einer Reform der Krankenversicherung im Jahr 2005 sind nunmehr laut offiziellen Zahlen 80 % der tunesischen Bevölkerung von der Gesundheitsfürsorge erfasst.

Das Bruttoinlandsprodukt von Tunesien betrug im Jahr 2019 125 Milliarden US-Dollar (zum Vergleich Deutschland: 3,86 Billionen US-Dollar), die Inflationsrate lag bei 6,7% (Deutschland 1,4%).

Aus Landwirtschaft und Industrie wurden 2017 nur 36% des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet*.

Tunesien ist ein Importland. Im Jahr 2017 wurden Waren und Güter im Wert von 19 Milliarden US-Dollar im- und 13,8 Milliarden US-Dollar exportiert.

Der mit Abstand größte Abnehmer tunesischer Produkte ist Frankreich mit fast 29% (Deutschland: 13%)*.


Exportschlager sind: Textilien, Produkte der Zuliefererindustrie, landwirtschaftliche Produkte und Phosphat (Dünger).

 

Die Arbeitslosenquote ist hoch: 2017 15,5%*. Von der Beschäftigungslosigkeit sind am meisten Frauen, Hochschulabsolventen und Jugendliche betroffen.

Alles in allem ist die derzeitige wirtschaftliche Situation in Tunesien alles andere als rosig. Das ist auch der Grund für wachsende Unmut in der Bevölkerung, welche sich durch den Sturz der Regierung im Jahr 2011 wesentlich mehr Wachstum erhofft hatte.
Dieser Unmut bricht sich immer wieder Bahn in Demonstrationen und vor allem vielen Streiks, die zum Beispiel den Phosphatabbau stellenweise zum Erliegen brachten.

Tourismus

Dass der Tourismus in Tunesien einen übergroßen Stellenwert hat, nimmt man eigentlich nur an, wenn man nie abseits des schmalen Küstenstreifens unterwegs ist. Tatsächlich ist der Wirtschaftsfaktor Tourismus schon immer wesentlich schwächer gewesen, als viele Besucher glaubten.

Dennoch lag der Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Spitzenzeiten bei über 9%, das ist keine Kleinigkeit.

Nach dem politischen Umbruch im Jahr 2011 und besonders nach den Anschlägen 2015 kam der Besucherstrom aus dem Westen fast vollständig zum Erliegen. Das lässt sich auch in der Grafik ablesen.

Die Zahlen seit Beginn der Covid-19-Pandemie sind noch gar nicht enthalten.


Während 2010 vom Tourismusministerium noch 35,5 Millionen Übernachtungen verzeichnet wurden, waren es im Jahr 2015 nur noch 16,1 Millionen Nächte. Das ist insgesamt ein Rückgang um mehr als 44%.
Damit sanken die Einnahmen aus dem Tourismus von gut 8%  auf 4% des Bruttoinlandsproduktes.


Im Jahr 2019 waren mehr Besucher in Tunesien als jemals zuvor, doch die Einnahmen pro Gast betrugen gerade einmal 285 US-Dollar.

Das liegt auch daran, dass der Anteil der Gäste aus westlichen Ländern gegenüber Besuchern aus den Nachbarstaaten sehr viel geringer geworden ist.

Quelle: World Tourism Organization